Sprache schafft Wirklichkeit (sagt Wittgenstein). Dazu zähle ich auch die Filmsprache. Wie sooft sind es die kleinen, stillen Mittel, die zusammen ein Gesamtbild erzeugen. Ein Gesamtbild, das diskriminierend, vorverurteilend und Klischee reproduzierend sein kann. Das ist besonders dann der Fall, wenn es sich um Ausdrucksmittel handelt, die regelmäßig in unterschiedlichsten Zusammenhängen (sprich: unterschiedlichsten Filmen, Serien) gleiche funktionale Verwendung (z.B.: der_die Zigarette Rauchende_r ist der_die Böse) finden.
Im Film werden nicht nur Kulissen dazu verwendet, Stimmung und Orientierung in der aktuellen Sequenz zu schaffen, sondern auch Musik und (Hintergrund-)Geräusche. Ein beliebtes Stilmittel ist das Baby-Geschrei und Baby-Weinen. Es kommt zum Einsatz, wenn der_die Protagonist_in einen sozialen Wohnbau betritt oder sonst „sein_ihr“ angestammtes Milieu verlässt und in ein sozial benachteiligteres wechselt. Häufig zu beobachten ist dies bei Recherchearbeiten von Journalist_innen oder Ermittlungen von Polizist_innen/Beamt_innen. Die Darstellung dieses Milieus ist oft stereotyp und vorurteilsbeladen, wenig sympathieerzeugend, sondern löst eher einen Mitleids- und Fluchtreflex aus.
Die dramaturgischen Funktionen von Filmmusik – und dazu gehören im weitesten Sinn auch (Off-)Geräusche wie eben das Weinen eines (Klein-)Kindes – sind vielfältig. Sie kann und soll Atmosphäre herstellen, Emotionen abbilden, epische Bezüge herstellen, illustrieren, gesellschaftlichen Kontext vermitteln, eine (historische) Zeit abbilden, parodieren und vieles mehr. Kurz gesagt, Filmgeräusche unterstützen die Vermittlung der Erzählung und können Teil dieser sein. Bewusst wahrgenommen wird der Ton in der Rezeption selten, es sei denn dieser soll bewusst irritieren oder stören.
Was heißt das nun für den Einsatz von Baby-Weinen? Salopp formuliert: Das Weinen wird instrumentalisiert und in einen Zusammenhang gestellt, der weder dem einen noch dem anderen gerecht wird. Weinen Babys nur dort, wo schlechte Lebensbedingungen herrschen? Bringen diese derart dargestellten Lebensbedingungen also Babys zum Weinen? Interessant werden diese Assoziationen auch, wenn der Umkehrschluss zu den betreuenden Eltern (und da wiederum besonders zu den Müttern) gelegt wird.
Dieses Baby-Weinen, das in Filmen funktional, aber unreflektiert zum Einsatz kommt, ist schon fast ein Topos* geworden. Für mich sind diese kleinen, zum Grundrepertoire jeder Schmafu-Serie gehörenden Stilmittel doppelt ärgerlich, weil sie meist unbewusst rezipiert werden und darum schwer reflektierbar sind.
(Bild via closed-circle.blogspot.co.at | CCTV)
* Zwei explizitere und ebenso penetrant verwendeten Topoi in Zusammenhang mit Elternschaft, die mir auf Anhieb noch einfallen, sind zum einen das der Frau und Mutter, die ausschlafen darf, während der Mann ihr (umständlich und patschert) ein Verwöhn-Frühstück zubereitet (dieses Frühstück gibt es auch, wenn ein Mann ein schlechtes Gewissen hat) und zum anderen jenes von der zur Schule hetzenden, zu spät kommenden Mutter – diese Szene illustriert häufig schwerwiegendere familiäre Probleme.